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Ökumenische Hospizgruppe in Unterfranken feiert – Seit 15 Jahren gibt es in Würzburg eine Hospizgruppe für gehörlose Menschen. Sie besteht aus sechs ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und einem Hospizhelfer, die regelmäßig Gehörlose im letzten Lebensabschnitt besuchen. Doris Ehrenreich, katholisch, und Gerlinde Koch, evangelisch, waren von Anfang an in der Gruppe dabei. Pfarrer Horst Sauer, der evangelische Gehörlosenseelsorger für Würzburg und Schweinfurt, führte mit ihnen das folgende Interview.

Sauer: Wie kam es zur Gründung einer Hospizgruppe in Würzburg?

Ehrenreich/ Koch:
Im Frühjahr 2001 regten wir die Gründung einer Hospizgruppe an. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gehörlose Menschen in der letzten Lebensphase oft allein sind. Sie haben auch große Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit dem Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen.Unsere Ausbildung übernahm der damalige Hospizbeauftragte der Diözese Würzburg Wolfgang Engert. Während der gesamten Ausbildung waren Gebärdensprachdolmetscher anwesend und haben für uns übersetzt.

Sauer: Wie umfangreich war die Ausbildung?

Ehrenreich/Koch:
Die Grundausbildung dauerte drei Monate. Innerhalb dieser Zeit haben wir uns jede Woche für zwei Stunden getroffen. Zunächst haben wir viel über den Prozess des Sterbens erfahren und Hinweise bekommen, wie wir uns gegenüber sterbenden Menschen verhalten müssen.

Sauer: Wie sieht es mit der Weiterbildung aus?

Ehrenreich/Koch: 
Unsere Gruppe trifft sich vier bis sechs Mal im Jahr zum Erfahrungsaustausch. Nach dem Ruhestand von Herrn Engert hat die Leitung Pastoralreferentin Gudrun Heid übernommen. Begleitet werden wir auch von den beiden Gehörlosenseelsorgern Claudia Walter und Horst Sauer. Neben unserem Erfahrungsaustausch, bei dem wir über Menschen sprechen, die wir besucht haben, beschäftigen wir uns mit wichtigen Themen für unsere Hospizarbeit. Beispiele: Rituale beim Sterben; Wenn Kinder trauern; Demenz bei Sterbenden; selbstbestimmter Selbstmord; Aroma-Therapie für Sterbende; Ernährung im Prozess des Sterbens. Regelmäßig besuchen wir Vorträge der Palliativakademie in Würzburg, die von Fachreferenten aus ganz Deutschland gehalten werden.

Sauer: Was tun Sie, wenn Sie sterbende Menschen besuchen?

Ehrenreich/Koch:
Alles, was wir tun, ist ehrenamtliche Mitarbeit. Zuerst einmal bringen wir viel Zeit mit. Wir setzen uns zuden Menschen, unterhalten uns und erzählen. Wir fragen, welche Bedürfnisse sie haben. Wir entlasten pflegende
Angehörige. Wir beraten darüber, welche Hilfen es gibt, wenn Angehörige einen Schwerkranken zu Hause pflegen. Wenn die Angehörigen ein paar Stunden weggehen müssen, bleiben wir beim Kranken. Wir machen kleine Besorgungen. Wir helfen dem Sterbenden, sich auf den Tod vorzubereiten. Manche Menschen haben Angst vor dem Sterben. Sie sollen wissen, dass wir für sie da sind. Ganz wichtig für unsere Tätigkeit ist die Schweigepflicht. Wir haben uns dazu verpflichtet, niemandem darüber etwas zu erzählen, was sterbende Menschen uns erzählen. Wenn wir uns in der Gruppe darüber austauschen, dann tragen wir die Informationen nicht nach außen zu anderen Menschen.

Sauer: Welche Rolle spielt der christliche Glaube in Ihrem Dienst?

Ehrenreich/ Koch:
Die Religion eines Sterbenden spielt für uns keine Rolle. Wir versuchen nicht den Menschen unseren persönlichen Glauben aufzudrängen. Wenn Sterbende einen Priester oder einen Pfarrer sprechen wollen, dann vermitteln wir. Oft begleiten wir die Seelsorger zu den Menschen und unterstützen sie bei ihrem Dienst.

Sauer: Besuchen Sie ausschließlich sterbende Menschen?

Ehrenreich/Koch:
Natürlich besuchen wir nicht nur Sterbende. Wir kennen sehr viele ältere gehörlose Menschen, die allein sind. Bei unserem Erfahrungsaustausch in der Gruppe sprechen wir darüber, wer von uns einen Besuch bei gehörlosen Menschen übernehmen kann. Insgesamt leisten wir ca. 200 Besuche im Jahr.

Sauer: Besuchen Sie auch Gehörlose in Alten- und Pflegheimen?

Ehrenreich/Koch:
Ja, natürlich. In Würzburg gibt es ein besonderes Altenheim: Das Marienheim. Im Jahr 2003 ist es gelungen in Zusammenarbeit mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und der Leitung des Marienheims sechs Zimmer für gehörlose Menschen einzurichten. Wir besuchen die gehörlosen Heimbewohner sehr regelmäßig. Dank unserer Gebärdensprachkompetenz können wir so manche Kommunikationsbarriere überwinden und obendrein eine Brücke in die Gehörlosengemeinschaft bilden. Oft holen wir die Heimbewohner zu den Gehörlosengottesdiensten ab oder nehmen an den Gottesdiensten, die im Heim stattfinden, teil.

Sauer: Was ist Ihnen am Wichtigsten, wenn Sie Sterbende besuchen?

Ehrenreich/Koch:
Das Wichtigste bei der Sterbebegleitung ist das Leben, das Leben in Würde für jeden Menschen bis zuletzt.


Liebe Frau Ehrenreich, liebe Frau Koch, herzlichen Dank für das Gespräch.

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